Sylt, das Paradies der Reichen und Schönen, ist für viele der Inbegriff von norddeutscher Eleganz. Weiße Dünen, schicke Boutiquen und Sonnenuntergänge zum Verlieben – wer träumt nicht von einem Urlaub auf der Königin der Nordseeinseln? Doch hinter der Postkartenfassade brodelt es gewaltig. Denn was für Urlauber ein Traum ist, wird für viele Sylter zum Albtraum: Wohnen wird zum Luxusgut.
Die Pläne für den Bebauungsplan 28 in Westerland-Nord lassen die Wogen hochschlagen. Rund 70 neue Ferienwohnungen könnten entstehen – ausgerechnet in einem Viertel, das bisher noch als halbwegs intakte Nachbarschaft für Einheimische galt. Für viele ein Unding. Die Bürgerinitiative „Merret reicht’s“ läuft Sturm: „Wir verlieren die letzten funktionierenden Quartiere!“, heißt es in einem offenen Protestbrief.
Sylt: Zoff ums Zuhause
In den Kommentarspalten bei Facebook wird die Empörung deutlich: „Solange Grundstücksmakler im Bauausschuss sitzen, wird sich nichts ändern“, schreibt eine Anwohnerin. Ein anderer meint sarkastisch: „Was machen die eigentlich in der Lokalpolitik? Sicher nicht die Insel retten.“ Die Sorge ist real: Mehr Ferienwohnungen bedeuten steigende Preise, weniger Wohnraum und ein Ausverkauf der Heimat. Besonders kritisch sehen viele die enge Verzahnung von Politik und Immobilienwirtschaft.
Markus Gieppner von der Fraktion „Die Insulaner“ mahnt zur Besonnenheit: „Fast jeder Neubau schreibt Dauerwohnraum fest.“ Ganz so einfach sei das Problem nicht zu lösen – und schließlich lebe Sylt zu 95 Prozent vom Tourismus. Auch der Verweis auf die Vergangenheit wird laut: Viele Sylter Familien hätten mit Gästezimmern ihren Lebensunterhalt gesichert. Es gehe nicht darum, Tourismus abzuschaffen – sondern endlich ein Gleichgewicht zu finden.
Sylt: Ein Dorf rebelliert
Die Initiative „Merret reicht’s“ gibt sich kämpferisch, aber konstruktiv: Musterbriefe für Einsprüche liegen bereit, bis zum 11. August kann jeder eine Stellungnahme abgeben. „Uns geht es um Maß und Mitte“, betont Sprecherin Birte Wieda. Es ist ein Protest der Gutbürgerlichen – fundiert, faktenbasiert und mit viel Herz für die Insel. Die Forderung: Keine weiteren Versprechen brechen, keine stillen Deals im Hintergrund.
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Eines ist sicher: Der geplante Bebauungsplan hat das Potenzial, Geschichte zu schreiben – als Wendepunkt für Sylts Zukunft. Die Insel steht am Scheideweg zwischen wirtschaftlichem Gewinn und sozialem Gleichgewicht. Bleibt zu hoffen, dass die Stimmen derer, die wirklich hier leben, nicht im Rauschen des Tourismus untergehen. Denn Sylt ist mehr als eine Ferienkulisse – es ist auch Heimat. Und die will verteidigt werden.