Veröffentlicht inHamburg

Hamburg: Nach Missbrauch! Vize-Miss Germany findet ihr größtes Glück

Vize-Miss Germany 2022 Lena Jensen aus Hamburg hat es wohlmöglich endlich geschafft! Nach sexuellen Missbräuchen findet sie endlich ihr privates Glück.

© IMAGO / Sven Simon

Hamburg, meine Perle: Warum die Stadt so einzigartig ist

Mit über 1,8 Mio. Einwohner ist Hamburg die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Außerdem kommen rund sieben Mio. Touristen pro Jahr in die Hansestadt. Doch was macht die Stadt so beliebt und einzigartig?

Jeden Moment könnte es so weit sein, dass ihre Wehen einsetzen. Die Hamburger Vize-Miss-Germany 2022 Lena Jensen (30) erwartet ihr erstes Kind. Es wird ein Junge. Mit dem Baby und der Hochzeit des Kindsvaters Lukas (30) vor über einem Jahr ist ihr großes Glück perfekt. Doch bis hierhin war es ein langer, steiniger Weg, der in ihrer Kindheit grausam begann. 

Lena Jensen, die auch als Model, Schauspielerin, Influencerin und selbständige Finanzberaterin erfolgreich ist, wurde jahrelang sexuell missbraucht. Heute engagiert sie sich für die Stiftung „World Childhood Foundation“, die Königin Silvia Königin für Schweden gegründet hat. Deshalb nahm Lena Jensen vom „Club der Optimisten“ den mit 10.000 Euro dotierten „Preis der Optimisten 2023“ entgegen. Im Gespräch mit MOIN.DE berichtet sie über ihren Leidensweg, aber gibt Betroffenen auch Hoffnung, doch noch ein glückliches und unbelastetes Leben führen zu können.

Hamburg: Missbrauch „aus dem näheren Umfeld“

Warum engagierst Du Dich öffentlich?

Lena Jensen: Ich möchte für das Thema sensibilisieren, Mut machen, das Schweigen zu brechen und halte als selbst Betroffene Vorträge. Denn oft sprechen Leute darüber, die vielleicht mit dem Thema nicht viel zu tun haben. Aus meiner Sicht kann ich eine ganz andere Perspektive vermitteln. Denn ich wurde als Kind über Jahre sexuell missbraucht, von Menschen, die mir sehr nahestanden. 

Wer hat Dich missbraucht?

Weil die Täter nicht verurteilt wurden, darf ich aus juristischen Gründen leider bestimmte Details nicht nennen. Die Täter kamen aus dem näheren Umfeld. Es fing an, als ich zwei Jahre alt war und zog sich ungefähr bis zu meinem sechsten Lebensjahr. Nach meiner ersten Erinnerung lag ich im Kinderbett. Jemand kam ins Zimmer und leuchtete mit einer Taschenlampe, holte mich aus meinem Bett, setzte mich auf sich drauf und missbrauchte mich sexuell. Irgendwann hörte ich von der Seite: „Lena, lächle doch mal an die Kamera.“ Dann sah ich die Frau. Das wiederholte sich unzählige Male. Es waren auch andere Kinder betroffen. Wir mussten auch untereinander Handlungen vollziehen.

+++ Hamburg: Verbraucherschutz warnt – Nordsee-Fisch zu Weihnachten nur „bedingt empfehlenswert“ +++

Hat Dich niemand beschützt?

Meine Mama merkte ganz früh, dass irgendwas nicht stimmte. Sie hatte immer ein komisches Gefühl, weil ich verhaltensauffällig war und ist mit mir zu verschiedenen Psychologen und Ärzten gegangen. Aber die haben alle auch nichts diagnostiziert. Ich war quasi während des gesamten sexuellen Missbrauchs in ärztlicher und psychologischer Behandlung, und keiner von denen hat diesen Kindesmissbrauch all die Jahre wahrgenommen. Daran merkt man, wie unsichtbar das Thema in der Gesellschaft ist. 

Welche Verhaltensauffälligkeiten machten Deine Mutter stutzig?

Ich wurde ihr gegenüber aggressiv, habe wieder ins Bett gemacht und habe mich mit Kot eingerieben. Auch anderen und meiner Schwester gegenüber wurde ich immer aggressiver. Irgendwann habe ich gar nicht mehr richtig gesprochen. Ich habe mich dann sehr zurückgezogen, mich viel versteckt und entwickelte eine Sozialphobie. Sowas kann auf Missbrauch hindeuten, muss es aber nicht.

Wie kam es dann später heraus?

Durch Zufall. Meine Mutter hatte mich einmal früher abgeholt. Da kam die Täterin in Unterwäsche die Treppe runter, und ich sollte mich nochmal waschen gehen. Das fand meine Mutter komisch, und sie hatte ein komisches Bauchgefühl. Dann hat auch noch eine Kindergärtnerin darauf aufmerksam gemacht, dass ich sexualisiertes Verhalten zeigte. Deshalb ging meine Mutter zum Jugendamt. Die empfahlen ihr eine Spieltherapie, weil man Kindern nichts in den Mund legen soll. Dabei kam es heraus, und die Polizei wurde eingeschaltet. 

Wie ging es dann weiter?

Ich und die anderen betroffenen Kinder mussten sich triggernden Vernehmungssituationen aussetzen. Es war immer grelles Licht, und fremde Menschen saßen mit einer Kamera da. Eine ähnliche Situation wie bei dem Missbrauch selbst. Auch als wir medizinisch untersucht wurden, mussten wir immer zu verschiedenen Ärzten, immer wieder die Beine auseinander spreizen und immer wieder reingucken lassen. So verloren wir immer wieder die Kontrolle über den eigenen Körper, obwohl wir das gar nicht wollten. Das war retraumatisierend.


Mehr News:


Was sollte anders laufen?

Die Aussagen müssten qualitativ besser protokolliert werden. Alle beteiligten Institutionen müssen besser zusammenarbeiten, die Ärzte, die Psychologen und die Rechtsanwälte. Sodass ein Kind nicht immer wieder von Arzt zu Arzt gehen muss und retraumatisiert wird. Zu dem Zeitpunkt der Untersuchungen war ich schon länger nicht mehr am Tatort. DNA-Spuren waren nicht mehr ersichtlich. Das Verfahren wurde eingestellt.

Mit welchen Auswirkungen hattest Du zu tun?

Ich hatte Ängste. Meine Blase hatte sich verformt über die Zeit, und ich unternahm drei Selbstmordversuche. Den ersten kurz nach meinem siebten Geburtstag. Einmal stand ich auf dem Schuldach, ein anderes Mal nahm ich ein Messer. Ich kam in die Psychiatrie. Ich litt sehr darunter, dass es meiner Familie schlecht ging. Nach den Strafanzeigen wurden wir von den Tätern bedroht. Wir mussten in ein anderes Haus ziehen, machten Schulden. Mein Papa hatte Existenzängste, und wir hatten keine richtige Hilfe. Da ist nicht der Staat, sondern „Der Weiße Ring“ eingesprungen, eine spendenbasierte Institution. 

+++ Hamburg: „Milliarden-Mike“ kriegt Amazon-Serie – und gibt Tipps für deine nächste Verhaftung +++

Heute bist Du glücklich. Gab es einen Wendepunkt?

Eine Therapeutin fragte mich nach meinem größten Traum. Ich sagte, dass ich irgendwann auf einer Bühne stehen und singen möchte. Sie meinte, wenn du mir vertraust, dann schaffst du das. Alle dachten, ich bin quasi für mein Leben gestört. Jetzt war da jemand, der das erste Mal an mich glaubte. Ich fing dann mit der damals neuen und heute gängigen EMDR-Therapie zur Traumata-Behandlung an. Und später stand ich tatsächlich auf Bühnen, sang und spielte. Nur weil sich andere etwas nicht vorstellen können, sagt das nichts über die eigenen Potenziale aus, sondern über die Grenzen der anderen. Das war für mich ein Meilenstein. Danach konnte ich meine Ängste immer mehr besiegen.

Was müsste sich grundsätzlich ändern?

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Kinder in unserem Rechtssystem kindgerecht behandelt werden müssten. Aber stattdessen wird mit ihnen umgegangen wie mit Erwachsenen. Es gibt eine veraltete Rechtslage, was das Glaubwürdigkeitsgutachten angeht, denn die Verbrechen geschehen hinter verschlossenen Türen. Die Beweislage ist schwierig, weil Kindern oft nicht geglaubt wird. Deshalb müssten die Gesetze dringend überarbeiten und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden besser werden.