Drei Tage vor Heiligabend im Jahr 2019 fängt am frühen Morgen das Traditionshaus „Hooger Fähre“ auf der Nordsee-Insel Pellworm plötzlich Feuer. Es brennt komplett ab. Lediglich die Grundmauern bleiben noch stehen.
Für Kirsten und Stephan Schuldt eine Katastrophe. Das Ehepaar steht plötzlich vor dem Nichts. Mehr als 100 Jahre wurde die beliebte Gaststätte auf der Nordsee-Insel von der Familie Peters betrieben. Kirsten Schult führte sie in vierter Generation mit ihrem Ehemann geführt hat. Noch einmal wirft sie einen Blick durch eines der wenigen erhaltenen Fenster.
Nordsee: „Hooger Fähre“ brennt komplett ab
„Da liegen die Schulsachen von den Kindern, die Reste davon, Kinderspielsachen, meine erste Puppe. Es sind persönliche Dinge einfach weg“, sagt die sichtlich ergriffene Frau. Ihr Zuhause, in dem sie geboren wurde, sowie das dazugehörige Restaurant, ist durch einen technischen Defekt zerstört worden.
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Die Brandermittler kommen zu dem Schluss, dass eine der alten Leitungen unter dem Dach durchgeschmorrt sein muss. Wie es nun weitergehen soll, ist zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2020 vollkommen unklar.
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Das sind die nordfriesischen Inseln:
- Die nordfriesischen Inseln liegen vor der Westküste Schleswig-Holsteins im nordfriesischen Wattenmeer, einem Teil der Nordsee.
- Neben den größeren Inseln Sylt, Föhr, Amrum, Pellworm und Nordstrand gibt es kleinere sogenannte Halligen.
- Sie alle gehören zum Kreis Nordfriesland.
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In der „Nordstory“ des NDR erinnern sich die Eheleute Schuldt sowie andere Bewohner von Pellworm an die schreckliche Tragödie zurück. Ein Ereignis, das die Inselgemeinde zusammengeschweißt hat.
Nordsee: Ehepaar bekommt nicht nur von der Insel Hilfe
„Auf einmal stand der Bäcker mit 20 Kisten geschmierten Brötchen hier. Ich wusste gar nicht, wo die hergekommen sind“, erzählt Kirsten Schuldt. Später sei dann ein Transporter vom Edeka-Markt gekommen, der belegte Brote und Getränke für die Feuerwehrleute gebracht habe. „Das ist schon besonders.“
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Auch der Nachbar Jürgen Fritz, der das Hotel direkt neben dem Gasthof führt, kochte den ganzen Tag über Kaffee für die Helfer. „Der war hier auf Hochtouren. Die Kaffeemaschinen glühten aus allen Rohren“, sagt Kirsten Schuldt.
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Das ist die Nordsee:
- die Nordsee ist ein Randmeer des Atlantischen Ozeans
- die Nordsee ist ein wichtiger Handelsweg und dient als Weg Mittel- und Nordeuropas zu den Weltmärkten
- die Fläche beträgt 570.000 Quadratkilometer
- sie ist bis zu 700 Meter tief
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Doch nicht nur von der Insel gab es Hilfe, sondern auch vom Festland. Mit der Fähre kamen aus Nordstrand Bodengutachter, ein Tragwerksplaner und Kirsten Schuldts Schwiegervater, ein Bausachverständiger. Das Ziel: Das Haus soll schnell wieder aufgebaut werden.
Bauen an der Nordsee ist teuer
Zu diesem Zeitpunkt sei noch völlig unklar gewesen, welchen Teil der Kosten durch die Versicherung gedeckt werden würden. Denn Bauen auf einer Insel ist immer teuer. Alle Beteiligten machten sich über Wochen Gedanken, wie das Vorhaben zu finanzieren ist.
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Für den Wiederaufbau benötigt es außerdem Hilfe aus dem Kreis Nordfriesland, dem Bauamt und der Bauaufsicht in Husum. Denn der Denkmal- und Naturschutz auf Pellworm könnten ein Problem werden. Doch am Ende geht alles gut und die Schuldts bekommen die Chance und Unterstützung für den Neubau.
Im März 2020 will das Paar starten, damit bis zum 9. Oktober, dem Wunschziel von Ehemann Stephan, zumindest das Haus mit fertigem Dach stehen. Als Geburtagsgeschenk für ihn quasi, wie Ehefrau Kirsten in der „Nordstory“ erzählt. Doch ein Problem sind weiterhin die Kosten.
Nordsee: Besondere Erinnerung an alte „Hooger Fähre“
Dann kommt die Corona-Pandemie, die auch die Insel Pellworm trifft. Um das Haus, dass seit 1907 in Familienbesitz ist, wieder aufzubauen, sucht Kirsten gemeinsam mit Ehemann Stephan bei ihren Eltern Heinke und Christoph Johann Petersen gezielt nach alten Fotos. Damit soll der Wiederaufbau so originalgetreu wie möglich gestaltet werden.
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Genehmigt wird der Bauantrag schließlich im Juni 2021. Dem Vorhaben steht somit nichts mehr im Wege. Ins Fundament des Hauses kommt noch ein besonderes Andenken: Der alte, originale Schlüssel der „Hooger Fähre“, der noch im verbrannten Türschloss steckte wird in einer Flasche, zusammen mit einem Foto des alten Gebäudes, einbetoniert.
„In Erinnerung an mein Geburtshaus möchte ich in die neue ‚Hooger Fähre‘ meine Kindheit legen“, sagt eine mit den Tränen kämpfende Kirsten Schuldt in der Dokumentation. „Es ist jetzt ein Neuanfang. Ich werde das Alte nie vergessen, aber es gehört und wird immer zum Neuen dazugehören.“
Neubau an der Nordsee kostet fast drei Millionen Euro
Während der Bauarbeiten machen dem Paar immer wieder die Wetterbedingungen zu schaffen – sei es Regen oder Wind, wie man es an der Nordsee kennt. Und dann kommt der 9. Oktober: Stephans Geburtstag. Zwar gibt es noch kein Dach, aber zumindest die Mauern und eine Decke aus Fichtenholz gibt es. Sogar mit dem Innenausbau konnte das Paar schon beginnen.
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Im Januar 2021 ist es dann soweit. Das Haus, nebst Reetdach, ist fast fertig. Fast drei Millionen Euro hat der Neubau gekostet. Doch Kirsten Schuldt kann mit Zuversicht in die Zukunft schauen: „Ich hab schon Reservierungen für das nächste Jahr, es gibt Leute die haben Tischbestellungen abgegeben für April, Mai, Juni. Es ist schon toll, die Leute vergessen uns nicht.“
Wer den Wiederaufbau im Detail verfolgen möchte, kann sich hier in der NDR Mediathek die komplette Folge der „Nordstory“ ansehen. (mk)