Bald kehren die ersten Urlauber an die Ostsee und Nordsee zurück. Schleswig-Holstein hatte Anfang April vier Modellregionen für den Tourismus bestimmt (MOIN.DE berichtete). Allerdings sind diese Pläne nicht in Stein gemeißelt. Die Zahl der Neuinfektionen haben die Verantwortlichen stets im Blick. Es kam bereits zu ersten Verschiebungen. Büsum und die innere Lübecker Bucht starten mit Blick auf die steigenden Inzidenzen später als geplant.
Timmendorfer Strand, Scharbeutz und die weiteren beteiligten Orte in dieser Gegend an der Ostsee wollen gemäß NDR frühestens am 26. April beginnen, nicht schon am 19. April. Und ob Sylt überhaupt Modellregion wird, ist ungewiss. MOIN.DE hat mit Serpil Midyatli über Öffnungsperspektiven in ihrem Bundesland gesprochen. Die 45-Jährige steht an der Spitze der Nord-SPD.
Ostsee: „Corona-Tests spielen eine wichtige Rolle“
Serpil Midyatli macht eine klare Ansage, worauf es jetzt ankommt: auf die Inzidenzen und die Ergebnisse der Modellregionen. Denn die Öffnungen, die jetzt kommen, werden streng begleitet. Midyatlis Note für die Corona-Politik von Ministerpräsident Daniel Günther fällt übrigens nicht gerade gut aus. Auch darüber hat MOIN.DE mit der Nord-Politikerin gesprochen.
MOIN.DE: Schleswig-Holstein hat jetzt vier Modellregionen bestimmt, die schon bald wieder Touristen empfangen. Was halten Sie davon?
Serpil Midyatli: Die SPD hatte sich für solche vorsichtigen Öffnungen stark gemacht. Es ist sehr wichtig, dass wir der Tourismusbranche wieder Perspektiven geben.
Wann kommt die breite Öffnung im ganzen Bundesland?
Das können wir noch nicht sagen. Dafür ist es ganz wichtig, die Erfahrungen aus den Modellregionen abzuwarten. Das Ganze wird wissenschaftlich begleitet, wir behalten die Inzidenzen genau im Blick. Corona-Tests spielen eine wichtige Rolle.
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Mit diesen Ergebnissen können wir dann arbeiten und die nächsten Schritte einleiten. Ganz wichtig ist, dass wir auf die Inzidenzen achten. Und wir müssen im Blick behalten, wie sich die Mutationen und die Impfungen entwickeln.
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Das ist Serpil Midyatli:
- Serpil Midyatli wurde 1975 in Kiel geboren, wo sie aufwuchs und zur Schule ging
- Mit 18 wurde sie Leiterin eines Restaurants, später betrieb sie mit ihrem Mann eine Konzerthalle und einen Catering-Service
- 2009 zog sie erstmals für die SPD in den Landtag ein
- Seit März 2019 ist sie Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein
- Seit Ende 2019 ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD
- Serpil Midyatli lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Gettorf
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Wo die Inzidenz stabil unter 100 liegt, darf in Schleswig-Holstein seit Kurzem draußen bewirtet werden. Wie läuft das bislang?
Für das Kieler Umfeld kann ich sagen, dass das gut funktioniert. Es ist das volle Programm mit medizinischen Masken, Abstand, desinfizieren. Manche halten am to-go-Modell ohne Service am Tisch fest. Die Gäste können aber draußen an den Tischen sitzen. Das war vorher nicht erlaubt. Die Betriebe haben gute Hygienekonzepte und die Kunden halten sich auch daran. Das geht ja gerne mal vergessen: Die allermeisten handeln in dieser Krise vernünftig. Viele Gastronomen sagen mir aber auch, dass sie Sorge haben, ob sich das in der Form wirklich lohnt. Es ist dadurch also längst nicht alles gut.
Sie haben selbst ein Restaurant geleitet und einen Catering-Service betrieben. Fühlen Sie in der Krise vor allem mit der Gastrobranche?
Seit sechs Monaten sind Restaurants, Cafés und Kneipen komplett dicht. Das ist schon sehr hart. Existenzen sind bedroht. Natürlich fühle ich da mit und bin für vorsichtige Öffnungen. Wem ich an dieser Stelle auch meine Anerkennung aussprechen möchte, sind Personen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Sonderpädagogen und Sozialarbeiter, die Familien und Jugendliche unterstützen. Deren Arbeit wird in der Krise nicht ausreichend gewürdigt.
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Das ist die Ostsee:
- auch Baltisches Meer genannt
- die Ostsee ist das größte Brackwassermeer der Erde
- die Fläche beträgt 412.500 Quadratkilometer
- sie ist bis zu 459 Meter tief
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Schleswig-Holstein öffnet bei Gastro und Tourismus vorsichtig, Mecklenburg-Vorpommern bleibt sehr streng. Wie sinnvoll ist das?
Stufenpläne funktionieren in beide Richtungen. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Inzidenz jetzt deutlich über 100. Bei diesen Werten würden wir in Schleswig-Holstein auch wieder die Notbremse ziehen. Ich finde es gut, dass sich Manuela Schwesig anders als andere Ministerpräsidenten an die Vereinbarungen hält. Die Bund-Länder-Konferenz hat sich auf den Inzidenzwert von 100 geeinigt, ab dem bestimmte Öffnungen möglich sind. Dass nicht alle das respektieren, ist der Grund für die aktuell hohen Zahlen.
Warum legen Sie so viel Wert auf einheitliche Regeln bei dieser Zahl?
Weil wir sonst Vertrauen verspielen. Die Osterunruhetage, die unterschiedlichen Regeln überall – so drückt man keine Verlässlichkeit aus. Und die brauchen die Bürgerinnen und Bürger jetzt.
Welche Note geben Sie Daniel Günther für seine Corona-Politik?
Für die Inzidenz-Werte in Schleswig-Holstein eine 2. Da gehört aber zur Wahrheit, dass wir alle zusammen im Land zu diesen guten Werten beitragen. Für seine persönliche Performance, insbesondere bei der Kommunikation, gebe ich eine 4 minus.
Gut ist was anderes.
Es gab viel Hin und Her und Unsicherheiten. Daniel Günther hat sich im Herbst nicht an Versprechen gehalten, die er der Gastrobranche gemacht hat. Immer wieder hat er den Mund zu voll genommen. Die Vergabe der Impftermine für über 80-jährige war lange chaotisch. Uneingeschränkt gut finde ich, dass er sich bei den Inzidenzen an die Regeln der Bund-Länder-Konferenz gehalten hat.
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Nächstes Jahr ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein – würde Sie das reizen?
Lacht. Es ist noch zu früh, um jetzt über eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten zu sprechen. Ab dem Herbst werden wir dann ganz auf Wahlkampf im Land eingestellt sein. Davor ist unser Fokus auf der Bekämpfung der Pandemie. Und eine Bundestagswahl gibt es ja auch noch.
Die SPD hat es schwer und steht in Umfragen schlecht da. Was ist Ihr Ziel in Schleswig-Holstein für die Bundestagswahl?
Zwischen sechs und neun Abgeordnete – neun haben wir 2013 geholt und sechs beim letzten Mal.
Ist Olaf Scholz der richtige Mann für die Kanzlerkandidatur?
Absolut. Er ist der einzige im Kandidatenfeld, dem ich wirklich zutraue, Deutschland auch international gut zu vertreten. Söder und Laschet zeigen gerade mit ihrem egozentrischen Streit, dass sie nicht für das Amt geeignet sind.