Lange wurde über die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete diskutiert. Hamburg hat nun als erstes Bundesland den Schritt gemacht. Seit dem 15. Februar erhalten neu angekommene Geflüchtete in den Erstaufnahmeeinrichtungen Prepaid-Karten, so die Sozialbehörde.
Die sogenannte „SocialCard“ soll sicherzustellen, dass staatliche Leistungen von den Empfängern persönlich genutzt werden und nicht ins Ausland transferiert werden. MOIN.DE sprach mit Menschen in Hamburg, die das betrifft. Und hörte klare Meinungen…
Hamburg: Klares Limit
Jeder erwachsene Asylbewerber sollen über die „SocialCard“ monatlich 185 Euro erhalten, um alltägliche Bedarfsgegenstände damit zu bezahlen. Leistungen für Kinder werden ebenfalls auf der Karte eines Elternteils verbucht. Es ist auch möglich, Geld von Geldautomaten mit der „SocialCard“ abzuheben, jedoch nur bis zu einem Höchstbetrag von 50 Euro pro Monat sowie 10 Euro pro Kind. Das bereitet den Asylbewerbern Probleme, wie MOIN.DE herausfand.
Viele von ihnen müssen nämlich oft lange warten, bis die Behörde ihre Unterlagen bearbeitet und sie die erste Auszahlung erhalten. Bis zu sechs Monate könne es bis zur ersten Auszahlung über die „Social Card“ dauern – vorher gibt es keinerlei Geld, berichten Geflüchtete in der Erstaufnahme in Hamburg-Rahlstedt gegenüber MOIN.DE.
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Hamburg: Zum Schulden machen gezwungen
Das heißt, bis die „Social Card genehmigt ist, stehen Geflüchtete in der Erstaufnahme komplett ohne eigenes Geld da. „Wer raucht oder zusätzliche Ausgaben hat, hat schlechte Karten und muss während dieser Wartezeit Geld von anderen leihen. Ahmad ist ein Beispiel dafür. Er kam vor fünf Monaten nach Hamburg und hat bisher keine finanzielle Unterstützung erhalten, da seine Unterlagen noch bearbeitet werden. In dieser Zeit müsse er sich Geld leihen, um Zigaretten zu kaufen, zum Friseur zu gehen oder andere Ausgaben zu decken, gibt er preis.
„Seit fünf Monaten bin ich hier und habe bereits Schulden von 250 Euro. Aufgrund gesundheitlicher Gründe kann ich nicht immer das Essen in der Unterkunft essen. Manchmal kaufe ich Lebensmittel ein und leihe mir Geld von anderen Geflüchteten. Ich muss das Geld zurückzahlen, sobald ich die erste Auszahlung bekomme“, erklärt der 34-Jährige im Gespräch mit MOIN.DE vor der Erstaufnahme in Hamburg-Rahlstedt.
Hamburg: Probleme betreffen viele
Das Problem: Die Auszahlungen kommen zwar, lassen sich aber nicht gebündelt abheben. „Ich kann jetzt maximal 50 Euro pro Monat abheben, um es den Leuten zurückzuzahlen. Es wird Monate dauern, bis ich das ganze Geld zurückzahlen kann, da ich nur 50 Euro Bargeld pro Monat abheben darf“, fügt Ahmad hinzu.
Hamburg: Negative Auswirkung für die Bezahlkarte
Ein weiteres Beispiel ist Muhanad. Der 24-Jährige ist aus Ar-Raqqa in Syrien geflohen. Auch er ist seit mehreren Monaten in Hamburg und hat sich Geld von anderen geliehen. „Die neue Bezahlkarte ist ein Problem. Mein Bruder und ich sind seit fünf Monaten hier und haben bisher noch keinen Euro erhalten. Wir mussten in dieser Zeit Geld leihen, um Lebensmittel zu kaufen. Jetzt darf ich nur 50 Euro Bargeld von der Karte abheben, das ist viel zu wenig und reicht nicht für unsere Ausgaben. Das ist wirklich problematisch.“ Auch er muss seine Kosten bestreiten und gleichzeitig Schulden begleichen.
Die Bezahlkarte an sich sei dabei nicht das Problem, sondern: „Die erste Zahlung auf die Karte zu bekommen, nachdem wir Geld geliehen haben, dauert einfach zu lange. Eine Katastrophe“, meint Muhanad. Während des Gesprächs mit den Betroffenen kommt ein Asylbewerber und präsentiert seine neue Bezahlkarte. „Endlich, nach fünf Monaten bekomme ich meine erste Auszahlung.“ Die Mitarbeiter haben ihm einen Link per E-Mail geschickt, um die Bezahlkarte per App nutzen zu können, sagt er erfreut.
Vorerst erhalten nur Geflüchtete die Karte, die neu in der Erstaufnahme ankommen und Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben. Laut Sozialbehörde sind das im Durchschnitt aktuell 33 Schutzsuchende pro Tag. Ukraine-Flüchtlinge sind ausgenommen, da sie Anspruch auf Grundsicherung haben.
Hamburger Bürger mit unterschiedlichen Meinungen
CDU-Fraktionschef Dennis Thering betrachtet die Bezahlkarte als ein Mittel, „um weniger Flüchtlinge nach Deutschland zu locken“. Doch wie bewerten Bürger diese Aussage?
Ein Hamburger sieht die „SocialCard“ als positive Entwicklung: „Damit kommen weniger hierher, besonders Geflüchtete aus Ländern, die als sicher gelten. Wenn sie wissen, dass sie weniger Bargeld haben, würden viele nicht nach Deutschland kommen.“
Doch die Betroffenen selbst können dem CDU-Fraktionschef nicht zustimmen: „Länder wie Syrien und Irak sind immer noch nicht sicher. Dort herrscht kaum ein normales Leben und es gibt keine Sicherheit. Die Menschen fliehen täglich und werden weiterhin in Richtung des Westens kommen, solange die Konflikte dort andauern“, erklärt ein Schutzsuchender in Hamburg.
Kritik an Bezahlkarte
„Ich finde das diskriminierend, denn das sollte auch die Ukrainer betreffen und nicht nur die Asylbewerber. Deutschland zieht immer wieder Ukrainer an, will aber anderen Migranten das Leben schwerer machen“, sagt eine Hamburgerin gegenüber MOIN.DE.
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Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg warnte hingegen vor Einschränkungen, „die diskriminierend und stigmatisierend wirken“. Kritisch sah sie auch Bargeldbeschränkungen, aus denen sich praktische Probleme im Alltag – beispielsweise bei den Tafeln oder auf Flohmärkten – ergeben würden.