Schon immer war die Ostsee eine beliebte Urlaubsregion, doch seit Ausbruch der Pandemie wird die Küste regelrecht überrannt. Selbst die kleinsten Küsten-Ort können sich vor dem Ansturm kaum retten. Die Gemeinde Prerow beispielsweise hat 1.500 Einwohner – aber 12.000 Unterkünfte für Gäste.
Noch beliebter sind die Ostsee-Inseln Rügen und Usedom, sowie die Urlaubsorte an der Lübecker Bucht. Schon seit Monaten ist fast alles restlos ausgebucht. Das freut zwar die Tourismus-Branche, doch die Einheimischen leider unter dem Boom.
Ostsee: Die Einheimischen leiden unter dem Tourismus
Wer darunter leidet, sind die Menschen, die dort auch dann leben, wenn keine Urlaubszeit ist: die Einheimischen.
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Der WDR hat für eine Doku mit einigen von ihnen gesprochen und Eindrücke gesammelt. Der Titel des etwa 45 Minuten langen Beitrags nimmt das Ergebnis vorweg: „Kritisch Reisen: Voll, voller, Ostsee – das überrannte Naturparadies.“
100 Übernachtungen pro Einwohner gibt es inzwischen auf Rügen – das sind mehr als auf Mallorca.
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Das ist die Ostsee-Insel Rügen:
- Insel vor der Ostseeküste Vorpommerns
- Flächengrößte und bevölkerungsreichste Insel Deutschlands
- Etwa 77.000 Menschen leben hier
- Rügen ist zehnmal größer als Sylt
- Auf der Insel gibt es 100 Sonnenstunden pro Jahr mehr als in München
- Neben Stränden gibt es auf Rügen auch viele Naturschutzgebiete
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Auf der größten deutschen Insel leben zwar 80 Prozent der Einheimischen vom Tourismus, aber der Immobilienboom macht ihnen Sorge.
„Das Problem ist, dass Einheimische häufig gar keine Wohnung mehr bekommen hier“, sagt ein Mann in Timmendorfer Strand zur Lage an der Ostsee. Weil immer mehr Ferienwohnungen als Kapitalanlage gebaut werden.
„Versyltung“ der Ostsee-Orte
„Versyltung“ nenne man das, heißt es in der Doku. Weil Sylt diese Entwicklung schon hinter sich hat.
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Tourismusdirektor Joachim Netz von der Lübecker Bucht, wo Timmendorfer Strand und beliebte Orte wie Scharbeutz liegen, sagt: „Wenn mit Versyltung gemeint ist, dass Einheimische verdrängt werden aus touristischen Hotspots, dann ist das hier auch so. Es ist für Einheimische schon schwer, hier eine bezahlbare Wohnung zu bekommen.“
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Das ist die Lübecker Bucht an der Ostsee:
- Die Lübecker Bucht ist eine Meeresbucht der Ostsee, die vollständig zu Deutschland gehört.
- Als Teil der Mecklenburger Bucht bildet sie die „südwestliche Ecke“ der Ostsee.
- An der südwestlichen Spitze der Lübecker Bucht mündet in Lübeck-Travemünde die Trave. Nach Osten wird die Bucht begrenzt durch den Klützer Winkel. Angrenzende Bundesländer sind Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
- Die Seebäder Kellenhusen, Grömitz, Pelzerhaken, Sierksdorf, Haffkrug, Scharbeutz, Timmendorfer Strand und Niendorf haben neben Lübeck-Travemünde mit der Halbinsel Priwall eine große Bedeutung für den Fremdenverkehr in Deutschland.
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Ähnliche Stimmen gibt es auf Rügen: Bei aller Liebe, es werde einfach zu viel mit dem Tourismus, klagen Einheimische.
Es kommen Urlauber zu Wort, die die Menschenansammlungen sogar toll finden. „Das ist das Leben“, sagt jemand. „Es ist grenzwertig“, sagen andere.
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Die Menschen, die auf Rügen leben, fühlen sich im Sommer wie Fremde: Man sehe zwar positiv, dass die Saison länger geworden sei, das habe man immer gewollt, sagen zwei Einheimische in der WDR-Doku. „Aber es ist ganz, ganz massiv mehr geworden. Früher haben wir uns auf die Menschen gefreut, Leute zu treffen.“
Eine Frau sagt: „Aber mittlerweile ist es nur noch Stress. Es ist nicht schön, es ist wirklich nicht mehr schön.“
Einheimische an der Ostsee können nicht mehr
Und ein Mann ergänzt: „Man gönnt es den Leuten. Aber es nimmt uns die Luft zum Atmen. Das ist kein Leben mehr. Es wird alles zugebaut. Überall, wo es schön ist, wird was gebaut.“
Eine ausländische Investorengruppe will die schmale Halbinsel Bug auf Rügen mit einem 680-Millionen teuren Ferienprojekt bebauen.
Und in Promoisel soll ein 50-Millionen-Hotel entstehen. Auf der Halbinsel Pütnitz will die niederländische Kette Center Parcs eine riesige Ferienanlage bauen. Ob die Menschen gehört werden? Es sieht irgendwie nicht danach aus.
Auch wenn die Politik das Thema auf dem Schirm hat, wie dieses Beispiel aus Travemünde an der Ostsee zeigt >>
Die ganze WDR-Doku gibt es hier online zu sehen.
(jds)