Bereits Anfang des Jahres stand das Struensee Gymnasium in Hamburg-St.Pauli im Zentrum eines Konflikts. Denn Schulleiter Frank Behrendt hatte Obdachlosen Unterschlupf auf dem Schulgelände gewährt (wir berichteten). Die Entscheidung, vielfach begrüßt, wurde schnell zum Politikum – denn plötzlich war das steinerne Vordach, unter dem die Wohnungslosen lebten, von Zäunen umgeben.
Der Grund: Drogenkonsum, Schüler in Angst und ein zusammengeschlagener Hausmeister. Schnell war der Zaun niedergerissen, Täter unbekannt. Mittlerweile sind wieder Obdachlose auf dem Gelände in Hamburg, der Schulleiter hüllt sich in Schweigen. Ganz anders Schüler, Anwohner und Gastronomen vor Ort. MOIN.DE erhielt vielsagende Einblicke.
Hamburg: Ein Stadtteil in Aufruhr
Vom Zaun sind nur noch traurige Reste übrig, zuletzt war er teilweise von einem Transparent bedeckt. „Weg mit den Zäunen! St- Pauli für alle“ stand darauf, versehen mit einem Logo von „USP“ – Ultrà Sankt Pauli, eine linksgerichtete Fangruppe des FC St.Pauli.
Haben USP-Mitglieder den Zaun niedergerissen? Niemand weiß es. Im Viertel wird es zumindest vermutet, doch auch Anwohner ohne Fußball-Bezug zeigen sich empört über den Zaun.
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Das ist Hamburg:
- Hamburg ist als Stadtstaat ein Land der Bundesrepublik Deutschland.
- Hamburg ist mit rund 1,9 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Deutschlands und die drittgrößte im deutschen Sprachraum.
- Das Stadtgebiet ist in sieben Bezirke und 104 Stadtteile gegliedert, darunter mit dem Stadtteil Neuwerk eine in der Nordsee gelegene Inselgruppe.
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Eine Anwohnerin mit klarer Meinung formuliert es so: „Ich finde gut, dass der Zaun nicht mehr da ist und würde mich freuen, wenn alle Beteiligten sich mal an einen Tisch setzen und für die Jungs und Mädels hier mal eine gute Lösung finden.“
Ihr Fazit: „Ich versteh‘ nicht, warum man vor so was Angst hat. Die Kinder, die hier groß geworden sind, so wie ich, die haben vor der Polizei Angst und nicht vor Obdachlosen.“
Wenig Transparenz in Hamburg
Dass Schulleiter Frank Behrendt selbst stark mit seiner Entscheidung zu kämpfen hat und von Beginn an helfen wollte, weiß sie nicht. Generell scheint das Wissen darum im Viertel wenig durchgedrungen zu sein.
Max, der nach eigener Aussage schon seit über 20 Jahren in direkter Nähe zur Schule wohnt, zeigt sich überrascht von den Vorfällen, die in letzter Konsequenz mit dem Zaunbau quittiert wurden. Doch er erzählt auch, dass die Drogenszene seit Jahrzehnten nicht mehr so präsent am Ort gewesen sei. „Vorgestern oder vor drei Tagen da lagen da 20 Leute, würde ich schätzen. Nicht drei… zwanzig!“, sagt er. Auch er will helfen, weiß aber nicht, wie.
Hamburg: Ein Problem teilen fast alle
Er hält Regeln und Betreuung für essenziell. Im Keller seines Wohnhauses beherbergten Max und andere Parteien im Winter einen Obdachlosen. Doch der war „nicht zurechnungsfähig“, gute Worte setzten ihn schließlich vor die Tür, halfen aber nicht weiter.
Mittlerweile haben er und seine Hausgenossen sich dazu durchgerungen, den Fahrradkeller abzuschließen. Ob ihn der Zaun störe? „Mich stört, dass ich in so ein Entscheidungs-Dilemma komme. Ich will die Ursachen verstehen, gibt es nicht genug Hilfsangebote?“, meint er.
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Fast alle Menschen, die sich MOIN.DE anvertrauen, berichten von einem Zwiespalt, von einem Für und Wider. Eine Frau erzählt, sie fühle sich in einer „extremen Zwickmühle“, wenig später fällt wieder der Begriff Dilemma.
„Wo sollen sie denn hin?“, fragt sie. Anwohner seien sauer, auch die Vertriebenen, eigentlich alle, setzt sie nach. Doch auch sie fühle sich machtlos.
Hamburg: Verständnis für den Schulleiter
Gut findet eine junge Frau, die im Viertel aufgewachsen ist, den Zaun. „Eigentlich bin ich gegen Zäune, aber in dem Fall würde ich sagen: Gut, dass er da war“, meint sie. Auch sie zeigt sich innerlich zerrissen, weiß um Obdachlosigkeit im Viertel von Kindesbeinen an, weiß um Ursachen, die häufig tiefer liegen.
Vor allem die Drogen hält sie für problematisch. „Für mich war es auch immer verstörend, das so zu sehen. Deswegen finde ich es schon richtig zu sagen, hier jetzt nicht mehr. Zumindest nicht direkt neben der Schule“, sagt sie.
Direkt neben der Schule befindet sich auch viel Gastronomie. Patrick, der zusammen mit seiner Frau einen Eisladen betreibt, meint, solange Obdachlose nicht aufdringlich oder zugedröhnt seien, spendiere das Paar auch gerne mal ein Eis. Das Geschäft sei nicht beeinträchtigt durch deren Präsenz.
Sollte es gegen Kinder gehen, sei für ihn aber eine Grenze erreicht. Seine Frau sei da generell noch etwas rigoroser als er, verrät Patrick. Einmal platzte ihm allerdings so richtig der Kragen, wegen Drogenhandel und -konsum direkt neben dem Laden. „Da hab ich gesagt, verpiss dich, ihr macht das sowieso, aber nicht bei mir.“
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Hamburg: Das sagt ein Schüler
Auf die Seite des Schulleiters Frank Behrendt schlägt sich auch ein Schüler des Struensee-Gymnasiums. Auch er sei im Viertel aufgewachsen und könne die Entscheidung, den Zaun aufzustellen, verstehen. Doch der Zaun habe nichts gebracht, außer negative Publicity für die Schule, da ist er sich sicher.
„Ich weiß, dass der Schulleiter das schade findet, dass die (Obdachlosen, Anmerkung der Redaktion) da sind. Nicht, weil er sie nicht mag, sondern weil sie Drogen konsumieren. Er achtet natürlich auf das Image der Schule. Und wenn da Leute angesprochen werden, ist das natürlich für ihn auch keine tolle Sache. Tendenziell sind die Leute aber eher gegen den Zaun. Denn sei es zugedröhnt oder nicht, es geht um Leute, die einen Schlafplatz brauchen.“