Mitten im Routinebetrieb auf der Internistischen Intensivstation der Universitätsklinik Rostock ist der laute Ruf „Wir haben eine Reanimation!“ zu hören. Einer der zehn Patienten in der voll belegten Station ist in akuter Lebensgefahr. Zwei weitere Schwestern eilen herbei. Das Team ist eingespielt und kann das Leben des Patienten retten – zumindest vorläufig.
Der Tod ist hier stets präsent. „Bis zu 50 Prozent der Corona-Kranken, die beatmet werden müssen, sterben“, sagt Abteilungsleiter Christian Virchow. Auf der Station in Rostock liegen ausschließlich beatmungspflichtige Patienten.
Rostock nimmt Patienten aus Sachsen auf
In diesen Tagen werde die Zahl der Betten um drei erweitert, berichtet der Professor. Dann sei das Personal dafür da, das andernorts abgezogen werden muss. „Wir müssen aber dafür sorgen, dass auch Nicht-Corona-Patienten versorgt werden. Das funktioniert noch gut, sie können auf anderen Stationen behandelt werden.“
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Das bestätigt der Vize-Vorstandschef der Unimedizin, Emil Reisinger. „Wir hatten in Rostock noch keinen klassischen Fall der Triage.“ Vielmehr konnten zwei Corona-Patienten aus Sachsen aufgenommen werden, für die zu Hause keine Behandlungskapazität frei war. Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, welchen Patienten sie zuerst helfen.
„Hier ist permanenter Ausnahmezustand“, erzählt die Krankenpflegerin Anne-Marie Kalinowski. Seit 2013 arbeitet sie auf dieser Station, eine derart große psychische Belastung wie zurzeit habe sie noch nie erlebt. „Es sind so viele junge Patienten hier. Da geht man nicht mit einem freien Kopf nach Hause.“ Erst wurden die Patienten der letzten Welle entlassen, und jetzt sind die jüngeren Erkrankten der vierten Welle da. Der jüngste ist 26 Jahre alt – ein deutlicher Unterschied zu den früheren Corona-Wellen.
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Das ist Rostock:
- größte Stadt unter den 84 Städten in Mecklenburg-Vorpommern
- rund 210.000 Einwohner (Stand 2020)
- Hafenstadt reizt durch ihre attraktive Lage an der Ostsee
- Bekannt ist sie außerdem als Universitätsstadt mit der im Jahr 1419 gegründeten Uni
- nicht nur ein beliebter Urlaubsort, sondern auch Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt im Norden Deutschlands
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Die Arbeit mit Corona-Kranken ist nicht nur psychisch, sondern auch körperlich ungleich schwerer als mit „normalen“ Patienten, etwa nach Unfällen oder Operationen. Es ist sehr warm, denn auch im Routinebetrieb sind Schutzanzug, Plastikhaube und Spezialbrillen Pflicht. Obendrein müssen die Patienten regelmäßig gewendet werden. Sind sie übergewichtig, sind mehrere Leute nötig, um mit anpacken.
Impfung ist Dauerthema in Rostock
Wer einmal in der Schutzausrüstung steckt, habe sie mehrere Stunden lang zu tragen, sagt Kalinowski. Beim Verlassen des Raums mit infektiösen Patienten ist sie dann zu wechseln. Der in Intensivstationen zu betreibende gewaltige Aufwand wäre eigentlich nicht notwendig, denn die Impfung würde das verhindern, sagt Abteilungsleiter Virchow.
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Acht der aktuell zehn Patienten auf der Station seien ungeimpft. „Bei den anderen ist der Status nicht klar. Es ist ja deutscher Volkssport geworden, Impfzertifikate zu fälschen.“ Bei der Therapie der ungeimpften Patienten mache das aber keinen Unterschied. „Wir behandeln sie wie alle anderen.“
Für die gut 40 Mitarbeiter auf der Station ist die Diskussion um die Impfung Dauerthema.
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Das ist Rostock:
- größte Stadt unter den 84 Städten in Mecklenburg-Vorpommern
- rund 210.000 Einwohner (Stand 2020)
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- Bekannt ist sie außerdem als Universitätsstadt mit der im Jahr 1419 gegründeten Uni
- nicht nur ein beliebter Urlaubsort, sondern auch Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt im Norden Deutschlands
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Viele Patienten wären nicht da, wenn sie geahnt hätten, was auf sie zukommt, sagt Virchow. „Die Ungeimpften werden der Krankheit nicht entkommen, einer von 100 wird sterben.“ Mit Gefühlen komme man nicht weiter, das wäre nicht professionell. „Man nimmt den Ungeimpften aber ein klein wenig übel, dass sie die gesellschaftliche Solidarität, die man verlangen kann, aufgekündigt haben und hier auf der Station Leistungen verlangen, die man durchaus hätte vermeiden können.“
Klinikum Rostock hat „ein tolles Team“
„Wir sind ein tolles Team, einer ist für den anderen da“, sagt Kalinowski zur Arbeit auf der Station. Überall sei die Hilfsbereitschaft unter den gut 40 Mitarbeitern zu erkennen. „Ohne das geht es nicht.“ Alle können bei Bedarf auch auf die Unterstützung von Krankenhauspsychologen und Seelsorgern zurückgreifen.
„Die Mitarbeiter haben stets die Möglichkeit, sich an mich zu wenden“, bestätigt Pastorin Susanne Möckel, die um die zu tragende Last weiß. Es gehe dann um ein kurzes Wort des Trostes, um Zuhören und Unterstützung – auch am Wochenende und an Feiertagen. Es gebe aber auch positive Momente, berichtet Kalinowski.
Entwicklung in Rostock macht Sorge
Beispielsweise, wenn wie vor kurzem Angehörige eines Patienten, der zur Rehabilitation entlassen werden konnte, einen Geschenkkorb vorbeibringen. Eine Karte oder ein Anruf tun es aber auch: „Da freuen sich alle drüber – gerade in dieser traurigen Zeit.“
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Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sieht die Entwicklung an den Kliniken mit Sorge. Mit der Bestimmung von sechs Reha-Kliniken mit 230 Betten zu Ersatzkliniken habe etwas Entlastung geschaffen werden können.
„Was in den Krankenhäusern und vor allem auf den Intensivstationen geleistet wird, ist großartig“, sagt Drese. Ohne das aufopferungsvolle Engagement des ärztlichen und pflegerischen Personals hätte die Pandemie noch sehr viel schlimmere Folgen. „Alle, die zweifeln, ob eine Impfung sinnvoll ist, sollten einmal mit Medizinern oder Pflegern sprechen.“ (dpa)