Abgemagert und krank, mit verklebtem Fell oder blutigen Verletzungen – in solch elendem Zustand kommen jährlich zahlreiche Katzen beim Tierschutzverein Hamburg (HTV) an. Für viele von ihnen ist es dann bereits zu spät.
„15 bis 16 Prozent der Fundkatzen sind nicht mehr zu retten. Das ist ein extrem hoher Prozentsatz“, erzählt Stefanie Bauche vom HVT. Bei den Vierbeinern handelt es sich um Streunerkatzen. Schätzungsweise leben rund 10.000 Tiere in Hamburg auf der Straße. Ein massives Problem, das kaum bekannt ist.
Hamburg hat Problem mit Streunerkatzen
„Man sieht sie einfach nicht“, erklärt die Tierschützerin im Gespräch mit MOIN.DE. Im Gegensatz zu Hunden, die sich tagsüber zeigen und dementsprechend präsenter im Stadtbild sind, seien Katzen eher Nachtgänger, die sich im Tageslicht zurückziehen.
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Außerdem machen Hunde auf sich aufmerksam, wenn es ihnen nicht gut geht. Katzen hingegen ziehen sich bei Verletzung oder Krankheit zurück. Dadurch werde man einerseits noch seltener auf sie aufmerksam und zum anderen werde die Hilfe dann auch schwieriger.
„Man findet sie dann, wenn sie so geschwächt sind, dass sie nicht mehr weglaufen können und dann kann man sie nicht mehr retten“ sagt Stefanie Bauche. Die Anzahl der Streunerkatzen kann man deshalb auch nur schätzen.„Aber was wir jedes Jahr an Meldungen bekommen und selbst einfangen, das ist wirklich viel“, erzählt die Expertin.
Entlaufene Katzen enden in Hamburg auf der Straße
Sie sei immer wieder überrascht, an welchen Orten sich die Vierbeiner aufhalten. Auf nahezu jedem Firmengelände und in jedem Kleingarten befinde sich laut der HTV-Mitarbeiterin mindestens eine Streunerkatze. Bei den Tieren handelt es sich ausschließlich um Hauskatzen und deren Nachfahren.
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Daten und Fakten zum Hamburger Tierschutzverein:
- Vollständiger Name: Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. (HTV)
- Sitz in der Süderstraße 399 im Hamburger Stadtteil Hamm
- Zentrale Aufgabe ist der Betrieb des dortigen Tierheims
- Der Verein hat über 5.000 Mitglieder und rund 90 Mitarbeiter im Tierheim
- Jährlich werden bis zu 10.000 Tiere aufgenommen
- Die jährlichen Kosten für das Tierheim belaufen sich auf fünf Millionen Euro
- Die Hälfte der Summe wird durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Erbschaften aufgebracht
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Immer wieder entlaufen Hauskatzen und können ihrem Besitzer nicht wieder zugeordnet werden. Das größte Problem ist jedoch, dass viele nicht kastriert sind.
Katzen finden nicht genug Nahrung in Hamburg
Egal ob die Hauskatze nach einem Ausflug wieder zurückkommt oder nicht: Wenn sie sich mit einem Streuner paart, gibt es Nachwuchs und die Spirale der Vermehrung dreht sich weiter, die Anzahl der Streuner nimmt dadurch stetig zu.
Das Nahrungsangebot hingegen nicht. Als reine Fleischfresser sind Katzen aufs Jagen und das Fangen von Beutetieren, besonders Mäuse, angewiesen. „So viele Mäuse gibt es in Hamburg aber gar nicht“, stellt die Tierschützerin klar. Deshalb leiden die Streuner permanent unter Hunger.
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Aus Verzweiflung fressen die Vierbeiner alles, was auch nur entfernt nach Nahrung aussieht oder riecht. „Wir haben in der Praxis auch immer wieder Katzen auf dem Tisch, die Plastiktüten auskotzen“, berichtet Stefanie Bauche.
Mehr Tiere in Hamburg ausgesetzt
Solche Fälle kommen viel zu häufig vor. „Es ist furchtbar“, sagt die Expertin. Die Hälfte aller Fundkatzen sei krank. „Eine echte psychische Belastung für die Praxis-Leute und für die Katzenpfleger“, beschreibt sie den Arbeitsalltag mit den Streunern.
Unter den Tieren befinden sich auch ausgesetzte Katzen. Seit der Pandemie sei die Menge der Tiere, die beim HTV während der Sommerferien ankommen, im letzten Jahr noch einmal deutlich höher als der Durchschnitt gewesen.
Wetter in Hamburg als weiteres Problem
Die Tierschützer finden die Katzen dann oft in Transportboxen, Kartons oder Säcken. Solche Fälle machen 15 Prozent der gesamten Fundkatzen aus. Neben der fehlenden Nahrung haben die Streuner auch mit dem Wetter zu kämpfen.
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Hauskatzen stammen von der ägyptischen Falbkatze ab. „Wir haben in Deutschland einfach nicht die Witterung, mit der sie klarkommen“, erklärt die Expertin. Das Fell der Vierbeiner sei nicht wasserabweisend, sondern ziehe die Feuchtigkeit an.
Unterschlupfmöglichkeiten in Hamburg
„Katzen sind irgendwann nass“, betont Stefanie Bauch. Was dann folgt, sei klar: Der Erfrierungstod. Die einzige Chance, zu überleben, haben die Tiere, wenn sie einen trockenen Ort finden und die Feuchtigkeit wieder auf dem Fell gezogen werden kann.
Solche Unterschlupfmöglichkeiten stellt der HVT schon seit Jahren bereit und bittet immer wieder die Bürger um Mithilfe. Mit einer einfachen Styroporbox kann den Streunern nämlich das Leben gerettet werden. Dazu schneidet man ein Loch, das groß genug für das Tier ist, in eine der Wände und legt die Box mit Stroh aus.
Streunerkatzen in Hamburg werden immer mehr
„Stroh hat die Eigenschaft, dass es die Feuchtigkeit nach Innen zieht, die Oberfläche aber trocken bleibt“, erklärt die Tierschützerin. So könne man dafür sorgen, dass die Feuchtigkeit aus dem Katzenfell gezogen wird und verdunsten kann.
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„Die Styroporboxen sind super-wichtig“, macht die HTV-Mitarbeitern klar. Die meisten Tiere seien heilfroh, einen trockenen und warmen Schutzort zu finden. Die Tierschützer platzieren die Kisten genau dort, wo sich Streuner gerne verstecken. Beispielsweise in Gebüschen.
Hamburg braucht eine Verordnung
Da sie Boxen jedoch nicht ewig halten, braucht es immer wieder Neue. „Außerdem steigt die Population an Streunern, also brachen wir auch mehr davon“, fügt die Expertin hinzu.
Auch wenn die Boxen den Katzen das Leben retten – eine langfristige Lösung sehen die Tierschützer darin nicht. Das Problem muss an der Wurzel angegangen werden. In den Augen des HTV hilft dabei nur eine Katzenschutzverordnung.
Regeln für Halterkatzen in Hamburg
Die besteht aus zwei Teilen: Zum einen eine Kastrationspflicht. Das heißt, dass Hauskatzen, die nicht kastriert worden sind, nicht ins Freie gelassen werden dürfen. Denn genau dadurch bekommen die Streuner immer wieder Zulauf.
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„Von daher zielen die Maßnahmen, die man ergreifen muss, auf Halterkatzen ab“, erklärt Stefanie Bauche. Der zweite Punkt ist die Chip -und Registrierungspflicht. Denn solange man den Vierbeiner nicht zuordnen kann, seien dem HTV die Hände gebunden.
Langer Kampf in Hamburg
Unkastrierte Katzen, die der Verein aufnimmt, dürfen ohne die besagte Schutzverordnung nicht kastriert werden. „Heißt, die Halter bekommen ihre Katze so wieder, wie sie ist und dann geht es immer so weiter“, bedauert Stefanie Bauche.
Schon seit mehr als zehn Jahren kämpft der HTV für die Katzenschutzverordnung. Im vergangenen Jahr konnte man endlich einen ersten Erfolg feiern. Die SPD und die Grünen haben einen Antrag für die Schutzverordnung entwickelt.
Paderborn als Vorbild für Hamburg?
Im August ist dieser in die Bürgerschaft eingereicht worden. Die Behörde ist nun verpflichtet zu prüfen, ob es in Hamburg eine Katzenschutzverordnung geben kann. „Das bedeutet natürlich immer noch nicht, dass es beschlossen wird. Aber immerhin ist mal eine Prüfung in Gang“, sagt die Expertin.
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Die erste Gemeinde in Deutschland, die eine Katzenschutzverordnung auf den Weg gebracht hat, war Paderborn im Jahr 2008. Seitdem seien die Straßenkatzen zum einen gesünder, zum anderen wachse die Population nicht mehr weiter. „Es hilft“, schlussfolgert der HTV.
Weniger Gefahr für Katzen in Hamburg
Und nicht nur der Tierschutz spreche sich dafür aus, sondern auch die Halter. Die Mehrheit besitze ohnehin kastrierte Vierbeiner. Kastrierte Katzen seien noch dazu standorttreuer, erklärt Stefanie Bauche. Die Tiere hätte keinen Grund mehr, weite Strecken zurückzulegen.
„Sie bringen sich nicht mehr so sehr in Gefahr“, fügt sie hinzu. Weniger Autoverkehr, weniger Kontakt mit kranken Tieren – all das liege auch im Interesse des Halters. Es bleibt also zu hoffen, dass die Stadt sich für das Wohl der Tiere entscheidet und der Katzenschutzverordnung zustimmt. „Alles andere wäre eine Katastrophe“, sagt die Tierschützerin.